Reisebericht aus Kongo

Reisebericht der Delegation nach Mbujimayi vom 1.10. – 13.10.2013

Liebe Freunde,

Wir sind wohlbehalten zurück und wollen euch einen ersten Reisebericht erstatten.
Vieles muss noch intensiver ausgewertet werden. Insbesondere die Planung und Errichtung unserer Solar Inselanlage. Vorweg gesagt – wir waren erfolgreich. Nun brennt Licht inmitten der Savanne!
Download des Fotoberichts ·
Wir haben dabei sehr viele wichtige Erfahrungen gemacht zum Thema Ausfuhrbedingungen, Transport, Zoll etc. und auch einiges an Lehrgeld  und Bakschisch – gezahlt. Das größte Problem war, dass nicht bedacht wurde, dass es einige Zeit in Anspruch nehmen würde, die Kiste mit den Solarpaneelen in Kinshasa aus dem Zoll zu holen und nach Mbujimayi zu transportieren. Die Zeit war zu knapp berechnet, so dass die Kiste erst  mit unserer Ankunft zeitgleich in Kinshasa war. Es dauerte noch 12 Tage bis sie dann in Mbuji Mayi war, also erst am letzten Tag vor unserer Abreise.

Jedoch waren wir dank Jörgs hervorragender Vorbereitung gut vorbereitet, und wichtiges Installationsmaterial hatten wir in unseren Koffern. Daher konnten alle Vorbereitungsarbeiten vor Ort vorgenommen werden. Am letzten Tag wurden nur noch die Paneele auf dem Dach installiert.

Wir hatten dort wunderbare Unterstützung. Zwei sehr engagierte junge Elektriker habe die ganze Zeit mit uns zusammengearbeitet. Auch die Freunde vom Ngenyi a.s.b.l. vor Ort hatten alles gut vorbereitet und haben uns tatkräftig unterstützt.
Sowohl wir drei Jörg,  Annette und Birgit als auch die Freunde vor Ort  wurden zu einem eingeschweißten „Bau Team“, welches jeden Abend beim Bier eine Besprechung für den nächsten Tag machte.

In Tshibombo selbst wurden wir zunächst eher zögerlich begrüßt. Neuzeit trifft auf Mittelalter! Was machen diese Weißen hier eigentlich? Und wieso sind da Frauen auf dem Bau? Nach und nach kam dann der Austausch in Gang. Dieudonne machte Führungen mit den Schulkindern zur Solaranlage und erklärte alles. Wir organisierten die Verpflegung vor Ort und zahlten Handgeld für die Elektriker und auch für die Leute vor Ort aus, die mithalfen. Der Bruder des Dorf- Chef kam regelmäßig um zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln. An der Wand hing der Installationsplan und jeder konnte sich informieren. Eine solche Planmäßigkeit war vollkommen neu, und wir wurden gefragt, ob wir eine militärische Ausbildung hätten….

Leider haben wir nicht mehr miterleben können, dass das Licht brennt. Aber unsere beiden Elektriker haben nach gründlicher Anleitung die Arbeit am Tag nach unserer Abreise zu Ende gebracht.

Unsere Freunde haben viel von uns gelernt, was Vorbereitung, Planung und Technik betrifft. Wir haben von ihnen viel gelernt, was improvisieren angeht und für jedes Problem trotz aller Widrigkeiten ein praktische und bezahlbare Lösung zu finden.

Da Gebäude ist nun fast fertig. Wir mussten jedoch vor Ort feststellen, dass anders gebaut wurde als es der Plan und das Budget vorsah.  Obwohl es vor Ort den sehr kundigen Maurermeister Freddy gibt, wurde ein Ingenieur für die Bauleitung eingeschaltet. Mehr noch als bei uns ist ein „Studierter“  dort eine Autorität, der man nicht widerspricht. Er ordnete an, die Sanitär-Zellen, die erst bei den nächsten Modulen gebaut werden, jetzt schon zu bauen. Dies kostet einiges an Geld zumal er auch noch Honorar nahm. Somit fehlte am Ende das Geld für den Fußboden. Leider haben unserer Freunde uns nicht über diese Problem informiert, als man noch hätte einschreiten können.

Auch Freddy der Maurermeister war vor Ort immer ein tatkräftiger und einfallsreicher Aktivposten des Projekts. Es herrschte immer gute Stimmung und  so sangen wir auf der Hinfahrt zu Baugrundstück gemeinsam das „Schalke Lied“ zur Freude aller.
Ein weiter Höhepunkt der Bau-Aktivität war das Experiment zur Herstellung von Maniok-Zement. Es gab dazu ein Rezept, was wir von einem Professor hatten, der es drei Jahre zuvor mit einer Studentengruppe beim Bau eines Wohngebäudes auf dem Campus der Universität in der Nachbarstadt Kananga ausprobiert hatte. Unter  intensiver Beteiligung und Diskussion der Dorfbevölkerung mischten wir nach dem Rezept den Maniokmörtel zusammen! Man beriet, wieso der Maniok erst kochen müsse, um ordentlich Klebekraft zu entwickeln, wie viel Sand reinmüsse usw. Alle begriffen sofort, dass das für das Dorf ein wichtiger Beitrag für einen preiswerten Baustoff sein würde.
Es wurde sofort damit begonnen die Wände zu verputzen. Der vor Ort ansässige „Hausmeister“ machte sofort den ersten Ziegel daraus. Der Maurer überlegte, wie viel mehr Kunden er haben könne, wenn er einen solch preiswerten Baustoff anbieten könne.

Als Schwachpunkt des Projektes stellte sich die noch nicht entwickelte Planmäßigkeit heraus.  Da unserer Freunde vor Ort selbst ständig ums unmittelbare Überleben kämpfen müssen, wird die notwendige Schritt-für-Schritt-Entwicklung dem oft untergeordnet, beziehungsweise nicht ausreichend berücksichtigt. So liegt die Landwirtschaft seit fast 2 Jahren still, weil der Verantwortliche in Tshibombo fürs unmittelbare Überleben in die Stadt ziehen musste, um zu arbeiten. Leider haben uns unserer Freunde auch über diese Problem nicht informiert. Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, und Einkünfte aus der Landwirtschaft zu erzielen, muss hier dringend eine Wende herbeigeführt werden.

Aufgrund der Zeit-Knappheit gelang es nicht, den „Wasser-Paul“ offiziell einzuführen. Auch er kam erst mit der Kiste Solarpaneele am letzten Tag.

Unterstützung erhielten wir vor Ort auch dadurch, dass uns von einem Freund des Ngenyi-Projekts ein Auto mit Chauffeur zu Verfügung gestellt wurde. Autos kann man vor Ort nicht mieten, und ohne Chauffeur reisen ist nicht ratsam. Zum einen wegen der sehr schwierigen Straßenverhältnisse zum anderen wegen der andauernden Alltagskorruption. Man wird von der Polizei angehalten und zur Kasse gebeten. Ohne Einheimische ist man dem ausgeliefert.

Ebenfalls haben wir die Initiative „ngenyi & sida“ besucht. Die Freunde haben vor Ort ein Büro eröffnet, welches regelmäßig besetzt ist und wo sich auch Selbsthilfegruppen treffen. Sie arbeiten für „ngenyi & sida“ ehrenamtlich, was im Kongo eine große Ausnahme ist. Die Initiative arbeitet mit einem Krankenhaus zusammen, wo sie die Infizierten hinschicken. Wir besuchten auch das Krankenhaus, wo uns der Arzt erzählte, das Besondere der ngeniy & sida Initiative sei, dass sie sich auch um die Familien kümmern und in die Stadtteile von Haus zu Haus gehen („Ameisenarbeit“). Sie mobilisieren in der Familie, dass sich alle testen lassen, wenn einer krank ist. Es fehlt ihnen ganz besonders an einem Computer, um die Kommunikation zu verbessern.

Insgesamt werden die Lebensverhältnisse in Mbujimayi immer schwieriger seit die Diamantenmine geschlossen ist. Starke Abwanderung von Betrieben und Menschen höhlen die ohnehin schwache Infrastruktur aus. Die chinesische Regierung, die mit der kongolesischen Regierung einen Vertrag geschlossen hat, Rohstoffe auszubeuten und im Gegenzug Straßen zu bauen, verfolgt offensichtlich einen anderen Kurs. Die N1 wurde nur ausgebaut bis zu einer Straße, die zu einer kleineren Diamantemine abbiegt, die sie ausbeuten. Der weitere Ausbau der N1,  an der das Grundstück liegt, ist also ungewiss.
Die Menschen kämpfen ums tägliche Überleben. Unzählige Heilsprediger vertrösten auf das bessere Leben im Jenseits. Vor allem die Erweckungs- und Pfingstkirchenbewegung – bekannt durch Billy Graham- nahm um die Jahrhundertwende in Kalifornien  ihren Anfang und verbreitete sich in der Welt, vor allem in Lateinamerika, Afrika südlich der Sahara, Korea und den Vereinigten Staaten.
In Mbujimayi leben mehr als 2 Mio.  Menschen und es gibt kein einziges Haus mit fließendem Wasser. Die Infrastruktur der Stadt war einmal ausgelegt für 3000 Menschen, nämlich für die Minenarbeiter und das belgische Verwaltungspersonal zu der Zeit als Mbujimayi noch keine Stadt war, sondern lediglich eine Diamantenförderstation (damals hieß sie Bakwanga). Erst 1961 nach der Unabhängigkeit wurde Mbuji Mayi Stadt und erhielt 1966 diesen Namen. Zahlreiche Flüchtlingsströme wegen der ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen ließen die Bevölkerungszahl rapide in die Höhe schießen, ohne dass irgendeine Infrastruktur folgte. Noch heute haben nur die Häuser in der Bergarbeitersiedlung alle Wasser-Anschluss vor dem Haus – ein echter Luxus. Interessant war daher ein Gespräch mit einer Vertreterin der GIZ (früher GTZ und deed) Die GIZ will in der Region Mbuji Mayi Wasserwerke bauen. Aufträge eines gebeutelten Landes an deutsche Monopole! Selbstverständlich, so meinte sie, müssen die Leute dann dafür bezahlen.
Die Alltagskorruption zersetzt den gesamten Zusammenhalt der Menschen. Entscheidend fürs das Überleben ist vor allem die Solidarität der Familie. Aufgabe des Ngenyi-Projektes ist es daher auch, mit dem Gedanken der Kooperative wieder den Gedanken des Zusammenhaltes und des gemeinsamen Wirtschaftens zu stärken.

Trotz der sehr kurzen Zeit haben wir viel geschafft und bleibenden Eindruck hinterlassen. Unsere Freunde sind uns sehr ans Herz gewachsen und der Abschied fiel uns schwer.

22.10.2013

Kommentare sind geschlossen.