Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2024/2025

Ende 2023 beschloss der Rat der Stadt Bergkamen mit dem Doppelhaushalt 2024/2025– also die Finanzplanung für dieses und nächstes Jahr. 

Die Haushaltsrede des Personenwahlbündnisses BergAUF in Bergkamen zum Doppelhaushalt 2024/2025 hat es in sich gehabt. Die Rede der Fraktionsvorsitzenden Claudia Schewior hat im Rahmen der Ratssitzung die Fragen und Sorgen der Bevölkerung, welche mit einem Einkommen weit unter dem Durchschnitt in NRW liegt, auf den Punkt gebracht.

Trotz der Begrüßung des SPD-Vorschlags, die Elternbeiträge für Kita- bzw. OGS zu senken, stand z. B. die Frage im Raum, warum die bisherigen Anfragen von Berg-AUF, diese Beiträge ganz abzuschaffen, immer abgelehnt wurden.

Neben der neuen Qualität in der Krise des Bildungssystems, gab es noch viele Debattierungs-Punkte wegen der Haushaltskrise. So steht gegenüber der konsequenten Umsetzung der teuren IGA und Wasserstadt-Projekte die permanente Nichtbeachtung der Planung eines Jugendzentrums, das trotz dem Haushaltsbeschluss von 2018 ständig vertagt wird. Das hat Konsequenzen. Wir sind laut einer WDR-Statistik ein Kreis mit den wenigsten Jugendzentren pro Einwohner.

Die Verwirklichung der im Grundgesetz verankerten kommunalen Selbstverwaltung ist also immer noch ein Thema, das weit entfernt erscheint. BergAUF fordert, dass die eingesetzten Steuergelder dringend für soziale Maßnahmen, wie Bildung, Klimaschutz- und Sofortmaßnahmen aufgebracht werden sollen.

Und die unheilvolle Zusammenarbeit mit der RAG nimmt außergewöhnliche Formen an, Näheres dazu in der Haushaltsrede, die sie nun auch hier lesen können.

Claudia Schewior, Fraktionsvorsitzende des Personenwahlbündnisses
BergAUF
Bergkamen, 30.11.2021

Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2024/2025
(Es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Bergkamenerinnen und Bergkamener auf der Tribüne,
verehrte Ratskolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, Dezernenten und Mitarbeiter,

dieser Rat soll heute mitten in einer Bundesweiten „Haushaltskrise“ über den
Haushaltsplan 24/25 entscheiden.

Davon betroffen, ca. 50.000 Einwohner, mit einem Einkommen, dass deutlich unter dem NRW weiten Durchschnitt liegt, über 20% der Kinder in Bergkamen wachsen in Armut auf. Mit der galoppierenden Inflation, die für Arbeiterfamilien letztes Jahr über 20% betrug, hat sich die Lage weiter verschärft. Die Daseinsvorsorge der Kommune ist also gefordert wie lange nicht.

Wir begrüßen es, dass in dieser Situation von der SPD-Fraktion eine deutliche Absenkung der Elternbeiträge für Kita- bzw. OGS vorgeschlagen wird, „Kinder sind unsere Zukunft und die Bildung dieser Kinder darf nicht von Kosten abhängig sein“ Zitat aus dem Antrag der SPD.
Aber warum wurden eigentlich bisher die Anträge von BergAUF dazu abgelehnt?
Natürlich haben wir inzwischen eine neue Qualität in der Krise des Bildungssystems, aber hätte man so lange warten müssen?
Wir unterstützen den Antrag kritische, konsequent wäre es aber, unserem Antrag zu folgen und die Elternbeiträge ganz abzuschaffen, so wie es auch in Hamm geplant ist. Wir sollten uns hier auch solidarisch an die Seite der Kita- und OGS-Beschäftigten stellen, die insgesamt für eine auskömmliche Finanzierung der Kinderbetreuung streiten.Haushaltskrise – das betrifft ja inzwischen nicht nur die Kommunen, sondern selbst den Bundeshaushalt trotz im nächsten Jahr prognostizierten 1 Billionen Euro Steuereinnahmen. Der gesamte kommunale Haushalt umfasst knapp 180Mio.€, das macht 3.600€ pro Einwohner im Jahr – der Großteil davon finanziert aus Steuergeldern, vor allem aus Massensteuern.

Herr Ulrich betonte: Zitat: „Die kommunalen Haushalte sind einem so kurzfristig nie dagewesenen massivem Druck ausgesetzt“. Weltwirtschafts- und Finanzkrise, gerne einfach als einfaches Ergebnis der Coronapandemie und dann des Ukrainekriegs dargestellt sowie galoppierende Staatsverschuldung haben die zeitweise Entspannung in den Kommunalfinanzen abrupt beendet. Gleichzeitig hat sich das Vermögen der Superreichen vermehrt, gibt es in Deutschland inzwischen 226 Milliardäre. Die Kommunen „stehen vor Problemen, die vor Ort – ohne Hilfe aus Bund und Land NRW – nicht mehr gelöst werden können“ Ebenfalls Zitat von Herrn Ulrich, und er hat recht.

Jetzt sind Bundes- und Landesregierung ja keine neutralen Positionen, sondern werden, je nach dem von SPD-GRÜNE-FDP bzw. CDU-GRÜNE besetzt, also von Parteien, die in diesem Rat ebenfalls vertreten sind.

Herr Grziwotz, sie sagen, dass die Forderung zur Lösung der Altschulden und Anwendung des Konnexitätsprinzips sei in diesem Rat schon mehrfach Thema gewesen. Damit haben Sie Recht, sie verschweigen aber, das ihre Fraktion sowie SPD, CDU und FDP die von uns dazu eingebrachte Forderung/Resolution an Bunds- und Landesregierung abgelehnt haben, und auch in diesem Jahr eine gemeinsame Resolution blockieren.

Selbstverständlich entscheiden wir hier nicht über die Bundes- oder Landespolitik, aber man kann sich dazu nicht scheinbar neutral verhalten. Der kommunale Haushalt ist doch unmittelbar an die Rahmenbedingungen gebunden. Wenn man in einer Situation wie momentan nicht widerspricht, dann trägt man diese Politik der weiteren Umverteilung gegenüber der Bevölkerung mit.

Und das in einem Kreis, der lt. wdr eine weitere traurige Statistik anführt, nämlich die mit den wenigsten Jugendzentren pro Einwohner in ganz NRW. Während der Kreis Recklinghausen 8,1 und der Ennepe-Ruhr-Kreis 7,7 Jugendzentren pro 10.000 Jugendlichen hat, gibt es im Kreis Unna lt. Wdr gerade mal 0,5!
(https://www1.wdr.de/verbraucher/18-millionen/karte-kinderarmut-nrw-100~table.html)

Aber während an der Umsetzung von IGA und Wasserstadt intensiv gearbeitet wird, wurde der Bau eines neuen Jugendzentrums in der Stadtmitte, seit 2018, gegen den Beschluss mit den Haushaltsplänen, von der Verwaltung immer weiter vertagt, und inzwischen ganz aus der Planung gestrichen. Wir beantragen an der Finanzierung für den Ausbau der Jugendarbeit in Bergkamen festzuhalten.

Auch wenn dafür scheinbar keine Fördermittel zu akquirieren waren. Das zeigt einmal mehr die Abhängigkeit der kommunalen Investitionen von Fördergeldern. Den Vorschlag des Kreis-Kämmerers sämtliche Förderprogramm einzustellen, und das Geld in die Verfügungsgewalt der Kommunen zu geben wäre hier ein wirklich guter Schritt.

Aber wo kämen wir da hin, wenn wirklich die im Grundgesetz beschlossene kommunale Selbstverwaltung gestärkt würde. Ganz ohne Einfluss von Bundes- und Landesregierung. Die sich bekanntlich auf die Fahnen geschrieben haben, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werden muss. (https://www.bmvg.de/de/mediathek/verteidigungsminister-wir-muessen-kriegstuechtig-werden-5701664)
Diskutierte die Bundesregierung in 2022 noch breit über eine Übergewinnsteuer, und Altschuldenregel für die Kommunen gibt es bei Ihnen inzwischen nur noch die Diskussion, wie trotz Schuldenbremse an Aufrüstung (100Mrd. Sondervermögen für die Bundeswehr) und Subventionen für die Großkonzerne gesichert werden, damit diese unter der Flagge des Klimaschutzes die Größtmöglichen Profite sicher haben.

Zu unserem Haushalt führte Herr Ulrich, trotz Krise ja fast euphorisch aus: „Wir behalten die Handlungsfreiheit, brauchen keine Genehmigung für den Haushalt und ich kann Ihnen einen Entwurf vorlegen, der ohne Haushaltssicherungskonzept auskommt!“ „Seit 2015 gab es keine Steuererhöhung und das soll möglichst lange auch so bleiben.“ (aus Haushaltsrede Kämmerer 26.10.23)
Erinnert etwas an unsere Bundesregierung, freilich vor Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Unzulässigkeit ihrer Haushaltstricks. Und leider ist es ebenfalls spekulativ. Auch wenn sie von der SPD-Fraktion heute so beteuert wird. Wir reden dabei noch gar nicht von den finanziellen Risiken für den kommunalen Haushalt, die in den Großprojekten Wasserstadt, IGA und Grubenwasserhebewerk und inzwischen auch Stadtmuseum stecken. Oder von dem Plan, dann eben 2027 die Grundsteuer nicht nur leicht zu erhöhen, sondern glatt zu verdoppeln.

Sondern von den Ergebnissen der Grundsteuerreform, die eine weitere Methode der Umverteilung zu werden scheint. Mit überraschenden deutlichen Entlastungen von Geschäftsgrundstücken einerseits, und dadurch gravierender Mehrbelastung von Wohnbebauung andererseits, wenn die Kommune hier nicht auf Einnahmen verzichten will. Herr Ulrich es fällt uns schwer ihre heeren Hoffnungen, dass dies ohne breiten Unmut und Protest der Bevölkerung von der Landesregierung noch verändert würde zu teilen. In der Haushaltsdiskussion in unserer Fraktion kam die Frage auf, warum dass denn im Haushalt gar nicht erwähnt wird, und wie verlässlich denn dann der Rest der Haushaltsplanungen wohl ist.
Das „Herz“ bei den freiwilligen Ausgaben in diesem Haushalt, bleibt trotz Krise mit 32 Millionen Euro die Internationale Gartenausstellung 2027 kurz IGA – man könnte sie aber eigentlich besser Interkommunal finanzierte Gestaltung Alter RAG Flächen benennen.

Von Beginn der Planung wurde deutlich, dass hier eine unheilige Zusammenarbeit mit der RAG besteht, und der Eindruck besteht, dass Sie Kosten und Verantwortung für die nach Bergrecht erforderliche Renaturierung an die Kommune abwälzt. Über 5 Mio.€ wären bei einem Ausstieg aus der IGA alleine an die RAG zu zahlen.

Auf Nachfrage erfuhren wir, dass dies nur geschätzt ist, weil es bisher keinerlei Verträge mit der RAG über die Durchführung der IGA gibt. Die RAG schüttet seit geraumer Zeit fleißig Böden, die Stadt finanziert das alles, das Geländer erhält hinterher der RVR, aber es gibt keine schriftlichen Verträge?
Was ist das den für ein Handschlagpolitik bei Millionenbeträgen?

Wir haben ja heute unseren Antrag Planungskosten für die Verkehrsberuhigung der Jahn- und Schulstraße zurückziehen müssen, weil es jurstisch nicht zulässig sei, hier zu planen bevor die Stadt Straßenträger ist.

Aber bei der Zusammenarbeit mit der RAG ist scheinbar alles anders. Herr Schäfer, wir können Ihnen berichten, dass sich immer mehr Menschen Fragen, wer denn hier so eng bei der RAG auf dem Schoß sitzt. Ein Kollege in unserer Haushaltsberatung berichtete nach der Diskussion über er empfände das Vorgehen als „modernen Diebstahl“.

Die hier eingesetzten Steuergelder werden dringend für soziale Maßnahmen, wie für Klimaschutz- und Sofortmaßnahmen benötigt.

Während wir hier beraten, tagt ja ein weiterer Krisengipfel – die Weltklimakonferenz COP28 – zeitgleich erscheint die Meldung, dass 2023 das wärmste Jahr seit Messbeginn überhaupt darstellt, die Durchschnittstemperatur in Deutschland bereits 1,7°C gestiegen ist usw. (Quelle: Tagesschau.de)
Dazu kommen weitere dramatische Entwicklungen, wie die Vergiftung und Vermüllung der Natur, besonders des Wassers, Ausdünnung der Ozonschicht, kurzum diese Entwicklung hat inzwischen einen Stand einer globalen Umweltkatastrophe angenommen, der die Lebensgrundlagen der Menschheit unweigerlich zerstört, die Frage ist, in welchem Umfang, in welchem Tempo.

Natürlich wird auch dieses Problem nicht der Rat in Bergkamen lösen, dazu braucht es größere gesellschaftliche Veränderungen.

Aber die Frage ist welchen Beitrag leisten wir? Das Budget für Klimaschutzmaßnahmen von je nach Lesart 400-500.000 Euro 2024 ist hier eher ein Armutszeugnis, als wirklicher Wille zu einschneidenden Maßnahmen.
Wir unterstützen den Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen auf 100.000€ für Klimaschutzmaßnahmen in 2025, aber auch das ist noch ein Tropfen auf den Heißen Stein, damit lässt sich kein großer kommunaler Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien, zur Flächenentsiegelung usw. leisten.
Man weiß, dass sowohl Hitzeperioden, als auch stark Regenereignisse sich in den nächsten Jahren häufen werden. Deswegen stellen wir die Anträge auf Einrichtung kommunaler Kühlräume, sowie Notstromaggregate für alle kommunalen Pumpen.

Es scheint, dass diese Mal unsere Anträge nicht einfach mit rein antikommunistischer Argumentation, weil man eben nicht mit BergAUF stimmt, abgelehnt wird, wie bei der Baumschutzsatzung damals. Die Lage ist wirklich zu ernst, als dass jemand, und da gehe ich bei den hier anwesenden Ratskollegen doch von aus, eine Politik im Zukunftsinteresse der Bevölkerung macht, diese Anträge, einfach ablehnen sollte. Oder wie Thomas Mann bereits sagte: »Der Antikommunismus ist die Grundtorheit unserer Epoche.«

Wenn wir doch die Prognose haben, dass in der Stadt noch weniger Geld da ist, wie kommen wir dann dazu Anträge zu stellen, die einiges Kosten werden? Wir beugen uns nicht der Logik, dass die Gesetze und Entscheidungen unveränderlich sind, während scheinbar die Bedürfnisse der Massen, besonders der Jugend als Gestaltungsspielraum gelten. Das Team der Kämmerer und die Mitarbeiter der ganzen Verwaltung haben wieder viel Arbeit für die Arbeit zur Vorlage des Haushaltes investiert, wofür wir uns ausdrücklich bedanken.

Die Darstellung des Haushaltes dieses Jahr stellt unserer Meinung nach aber einen deutlichen Rückschritt dar, und ist eher geeignet zu verwirren, da nun an zig Stellen gesucht werden muss, anstatt das bewährte Format des mit dem verbesserten Vorbericht beizubehalten. Leider wurde wieder darauf verzichtet, die Ausgaben in der Jugendarbeit und im sozialen Bereich, sowie des Umweltschutzes als Ganzes darzustellen, so wie es mit den Investitionskosten ja seid längerem gang und gebe ist.

Liebe Ratskolleginnen und Kollegen,
wir werden diesem Haushalt, wie soeben ausführlich begründet nicht zustimmen. Wir haben zu Punkten, die nach unserer Ansicht den dringendsten Handlungsbedarf darstellen Anträge verfasst. Ob Sie diesen Zustimmen, liegt nun in Ihrer Verantwortung.

Schließen möchte ich mit den Worten von Albert Einstein der betonte, „Probleme können niemals mit der selben Denkweise gelöst werden mit der sie entstanden sind.“

Glückauf

Kommentare sind geschlossen.